Der will doch nur spielen

Es ist Donnerstag, 18:30 Uhr und das Spiel kann beginnen – theoretisch jedenfalls. Die ersten treffen pünktlich ein, die letzten durch den Verkehr, das Arbeitsaufkommen oder das eigene Zeitmanagement behindert 30 Minuten später. Man tauscht sich aus über die Geschehnisse der Woche, die Bautätigkeiten am heimischen Chalet und Game Of Thrones. Die meisten sind sich einig, nicht bereits jetzt das Ende der achten Staffel wissen zu wollen.

Schließlich wird es Zeit für die Rekapitulation der letzten Geschehnisse. Theoretisch jedenfalls, denn zunächst muss die Pizza ausgewählt werden. Zermürbt von der ewigen Frage nach Salami oder Schinken bzw. Mozarella oder Gorgonzola brütet das Häuflein der Gerechten über der vergilbten Bestellliste, die der Hausherr hinter dem Schrank hervorgeklaubt hat. 20 Minuten später greift besagter Hausherr zum Telefon, während sich die verbleibenden Spieler ihr Hirn nach dem letzten Spielabend zermarten, dabei aber immer wieder zu GoT abschweifen. Die Erlösung bringt die Nachricht, dass Pizza Finale dicht gemacht hat. Die Auswahl der Pizza und damit die Beantwortung der selben quälenden Fragen beginnt von Neuem, Erkenntnisse aus dem ersten Durchgang erweisen sich als nicht übertragbar, weil Pizza Nuevo auch „normalen“ Käse anbietet (was immer das sein mag).

Einen Bestellvorgang später erzählt der Spielleiter was zuletzt geschehen ist, und was die Spielercharaktere dabei übersehen haben. Draußen dämmert es.

Vom Landeplatz unseres Raumschiffs wird unser Häuflein zum Haus des Gouverneurs geleitet, wo wir zum Essen vorgeladen werden, obwohl einzelne nicht mal mit Messer und Gabel essen können. Ein extrovertierter Charakter beginnt mit alten Abenteuern zu prahlen, während das Begrüßungskommittee amüsiert lauscht und zu einer Antwort ansetzt.

Zwischenfrage: Wie ist das mit der Feuerrate des Maschinengewehrs? Im Regelwerk steht da ein „F“, im Charakterbogen aber ein „E“. Nun gut, die Charaktere sind gerade bis auf ein Fischmesser unbewaffnet, aber man muss schließlich vorbereitet sein. Der Spielleiter studiert unter den stumpfen Blicken der Spieler aufmerksam das Regelwerk und findet nach zähem Suchen die Antwort (es ist ein „F“).

Während wir den nun virtuell kalt gewordenen Fisch in Minzsoße genießen, zählt der Spielleiter die anwesenden Nichtspielercharaktere auf. Eine davon ist attraktiv und im gebärfähigen Alter. Logischerweise sitzen alle Spielercharaktere an ihrem Tischende. Stimmung kommt auf und einzelne Sätze werden in wörtlicher Rede vorgetragen. Auf eine Bemerkung bezüglich des Wetters schüttet uns der Spielleiter ihr Herz aus. Wir erfahren ohne lästige Zwischenfragen, dass es eine Art Verschwörung geben muss (in die vermutlich die Herren am anderen Tischende verstrickt sind – wir winken), dass sie an einer peinlichen Körperstelle ein Furunkel hat, dass ihr Geliebter verschollen ist, und dass wir uns daher zwecks Rettung in dessen Häuschen einfinden mögen, in dem es nach den Geboten der Logik und des vorliegenden Abenteuers einfach Hinweise auf seinen Verbleib geben muss.

Nun könnte es bei dem ein oder anderen klingeln, warum sein Charakter zum Essen eingeladen wurde, zunächst aber klingelt es beim Gastgeber der Heldentruppe: Der Sendbote von Pizza Nuevo, Retter der darbenden Spieler ist eingetroffen. Sechs mal 800 kcal später geht es weiter, inkl. der medizinisch notwendigen Pause für drei Espressi und zwei Aperitif. Mittlerweile ist es trotz Hochsommer draußen Nacht.

Im Haus des Verschollenen – die Tür stand offen – liegt auf dem Wohnzimmertisch eine Landkarte, in die der vermisste Hausherr mit rotem Filzstift ein Kreuz angebracht hat. Man würde sich wirklich wünschen, dass mehr Menschen vor ihrem Verschwinden so umsichtig sind. Die Rettungsaktion kann also beginnen – theoretisch jedenfalls.

Denn zunächst stehen noch Reisevorbereitungen an. Die im Pizza-Schlaf liegenden Spieler versuchen also zu kalkulieren, wieviel Tagesrationen Nahrung nun in einem „Punkt“ Ladekapzität stecken und wieviele „Punkte“ wiederum in unserem Boot bzw. Schiff stecken (die Klassifizierung ist strittig). 30 Minuten später einigen wir uns salomonisch darauf die zur Verfügung stehende Ladekapazität gleichmäßig zwischen Proviant, Kohle und Munition aufzuteilen. Nicht dass wir wüssten worauf wir schießen sollen, aber wie einst General Custer am Wounded Knee sind wir einfach heiß auf Action.

Wir steigen ins Boot und tuckern los. Die letzten 30 Minuten des Spielabends werden dann auch ohne Schießerei tatsächlich noch abenteuerlich …

… ehe uns kurz vor Mitternacht das Sandmännchen holt.

Okay, so dick kommt es zum Glück nur selten und ein paar literarische Freiheiten habe ich mir auch genommen. Es geht mir auch nicht um einzelne der obigen Punkte, aber nur zu oft bleiben von fünf Stunden Spielzeit in Summe gerade mal 2 1/2 übrig. Und wenn diese Zeit nicht für’s Rollenspiel, sondern für Regelfragen, Inventarlisten usw. drauf geht, ist das aus meiner Sicht sehr schade. Wie es besser gehen könnte, das will ich im nächsten Beitrag zeigen – theoretisch jedenfalls. Und wie sieht’s bei euch aus – habt ihr Tipps oder Erlebnisse zum Thema?

2 Gedanken zu „Der will doch nur spielen“

  1. Wohl wahr, wohl wahr!
    Da hilft nur mehr (eigene) Disziplin am Spieleabend oder öfter auch mal so treffen zum Quatschen statt Spielen, wie es ja auch schon mal vom Vorstand an einem Sonntag angetestet wurde.

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